Die Kunst der Motivation

Coaching effektiver gestalten

Motivation ist von zentraler Bedeutung für das Training und Coaching – egal in welcher Sportart und auf welchem Wettkampfniveau. Sie beeinflusst nicht nur die Leistung der Athleten, sondern prägt auch ihre sportliche und persönliche Entwicklung sowie ihre Zufriedenheit und ihr langfristiges Engagement im Sport. Dieser Beitrag untersucht die Grundlagen der Motivation anhand der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan und bietet praktische Empfehlungen für Trainer, um die Motivation ihrer Athleten zu verstehen, zu stärken und aufrechtzuerhalten.

1. Was sagt die Datenlage über Motivation aus?

Die aktuelle Datenlage zeigt sehr deutlich, dass Motivation keine Persönlichkeitseigenschaft ist. Es gibt keine kategorisch “motivierten Menschen” und “faulen Menschen”. Jeder wird zu irgendeinem Zeitpunkt von etwas motiviert, und die Aufgabe des Trainers ist es, zu verstehen, was den Athleten antreibt, um eine hohe Intensität in ihren Sport zu bringen.
Die Selbstbestimmungstheorie (SDT) von Deci und Ryan (2000) unterscheidet zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Intrinsische Motivation entsteht aus innerer Freude und Interesse an der Aktivität selbst, aus einer Liebe zum Prozess, Radsport und der Entwicklung selbst.
Andererseits erfordert extrinsische Motivation Einfluss durch externe Faktoren wie Belohnungen oder Bestrafungen. Dies klingt schlimmer als es ist – diese Art von Motivation erfordert einfach externe Kontrolle, wie zum Beispiel der Wunsch zu gewinnen, mit dem primären Ziel (oder Bedarf) nach Anerkennung, um die Eltern stolz zu machen oder einen neuen Sponsor zu gewinnen.

Fallbeispiel:
Ein Mountainbikerin trainiert im Fitnessstudio, um ihre Kraft zu steigern, weil sie den Prozess der Selbstverbesserung liebt und weiß, dass es sich auf der Strecke auszahlen wird (intrinsisch), im Gegensatz zu einem Mountainbiker, der sein Krafttraining nur macht, weil der Trainer sagt, dass alle Athleten ins Gym gehen müssen, wenn sie diese Saison antreten wollen (extrinsisch, Vermeidung von Bestrafung) oder weil er der fitteste im Team sein will (extrinsisch, Anerkennung).

Das Motivationsspektrum reicht von Amotivation (keine Motivation) über vier verschiedene Stufen der extrinsischen Motivation bis hin zur intrinsischen Regulierung. Dabei sind die drei grundlegenden psychologischen Bedürfnisse – Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit -entscheidend für die Entwicklung einer starken, eher intrinsischen Regulation, die den Prozess der Entwicklung zu einem wichtigen Teil der eigenen Identität und des Lebens macht.

Sobald ein Trainer versteht, was seine Athleten motiviert und in welcher Phase die Athleten steckenbleiben, kann er mit seinem Team zusammenarbeiten, um ihre Bedürfnisse im Training zu erfüllen und seine Athleten möglicherweise näher an eine intrinsische, selbstbestimmte Form der Regulation zu bringen.

 

2. “Was treibt meine Athleten an?”

Menschen werden in erster Linie durch die Erfüllung ihrer eigenen Bedürfnisse motiviert: Wenn wir hungrig sind, verspüren wir den Antrieb, dieses Bedürfnis durch Essen zu stillen. Wenn wir müde sind, erfüllen wir dieses Bedürfnis, indem wir schlafen gehen. Wenn wir uns einsam fühlen, könnten wir jemanden aus unserem Freundeskreis anrufen. Es fühlt sich gut an, unsere Bedürfnisse erfüllt zu haben, und es ist physisch und psychologisch normal und wichtig, dass wir das tun. Dies gilt natürlich auch für den sportlichen Kontext.
Gemäß der Selbstbestimmungstheorie können Trainer die Motivation ihrer Athleten stärken, indem sie deren grundlegende menschliche Bedürfnisse ansprechen:

  • Autonomie: Das Gefühl, Kontrolle über das eigene Leben und das, was mit einem geschieht, zu haben. Keine Selbstbestimmung über das eigene Leben und die eigenen Entscheidungen zu haben kann zu negativen psychologischen Auswirkungen führen, einschließlich Demotivation, Abbruch des Sports oder anderer Aktivitäten und in extremen Fällen zu Depressionen.
  • Kompetenz: Das Gefühl, Experte im eigenen Körper und im eigenen Fachgebiet zu sein. Athleten möchten sich in ihrem Sport geschickt und intelligent fühlen: Das bedeutet, dass sie ihr Können und Wissen teilen möchten, aber sie möchten sich auch verbessern und ihre Expertise erweitern.
  • Zugehörigkeit: Das Gefühl, zu einer Gruppe zu gehören oder sich mit etwas Größerem als sich selbst zu identifizieren, nicht alleine mit seinen Zielen zu sein, sondern an kollektiven Zielen und Prozessen mit Menschen teilzunehmen, mit denen man Ähnlichkeiten hat.

Übungen zur Selbstreflexion:

Um zu verstehen, was unsere Athleten motiviert und welche Bedürfnisse wir als Trainer erfüllen können, sollten wir sie konkret fragen. Eine effektive Methode hierfür ist die Selbstreflexion.

Fragt Eure Athleten:

  • Warum betreibst du diesen Sport?
  • Welche positiven und negativen Aspekte ziehst du daraus?
  • Was motiviert dich, dein Bestes zu geben?

Sportler sollten zu jeder Frage 2-3 Sätze oder Stichpunkte aufschreiben und diese dann einem anderen Athleten im Team oder ihrer Trainingsgruppe mitteilen. Coaches können diese Übung regelmäßig durchführen, um ihren Athleten zu helfen, ihre eigenen Veränderungen in der Motivation zu reflektieren und zu verstehen, wie sie am besten unterstützt werden können, sei es während einer Saison oder über Jahre hinweg.

 

3. “Wie kann ich die Bedürfnisse meiner Athleten erfüllen?” Um die Autonomie der Athleten zu stärken, kann der Trainer:

  • Im Training mehr kurze Fragen stellen, die 2-3 vorgegebene Antworten haben (oder offene Fragen stellen, wenn Zeit und Situation es zulassen), und den Athleten Entscheidungsfreiheit lassen.
    z. B. „Sollen wir das Meeting jetzt oder nach dem Training abhalten?“
  • Verantwortung fair verteilen und Rollen delegieren.
    z. B. indem jeder Athlet abwechselnd das Aufwärmen leitet oder aufräumt.
  • Mikromanagement vermeiden und den Athleten Raum für eigene Problemlösungen geben. So können sie aus ihren Fehlern lernen und sich selbst korrigieren, aber erinnert sie daran, dass wir da sind, um zu helfen, wenn sie uns um Unterstützung bitten.

Zur Förderung der Kompetenz können Trainer:

  • Im Training angemessene Herausforderungen bieten, die das Können und Wissen der Athleten weiterentwickeln. Nicht so komplex, dass die Übungen konstant frustrierend und demotivierend sind, und nicht so leicht, dass der Sportler schnell gelangweilt fühlt, was auch demotiviert.
  • Klare, kurze und neutrale Rückmeldungen geben, die spezifisch und konstruktiv sind. Emotionalität und Bewertungen führen nur dazu, dass Menschen sich verteidigen, bis sie aufhören zuzuhören.
  • Führungsqualitäten entwickeln, indem sie den Athleten Verantwortung übertragen und sie in Entscheidungsprozesse einbeziehen.
    z. B. beim Belastungssteuerung darum bitten, indem sie uns mitteilen, wie intensiv das Training für sie war, oder uns Rückmeldungen zu unserem Coaching geben.

Um das Zugehörigkeitsgefühl zu stärken, können Trainer:

  • Gemeinsame Rituale oder Routinen im Team etablieren
    z. B. gemeinsame Trainingslieder oder Team-Slogans entwickeln und Teamkleidung gestalten.
  • Regelmäßige Einzelgespräche führen, um individuelles Feedback zu geben und eine starke Bindung durch Offenheit und Ehrlichkeit zwischen Athleten und Trainer aufrechtzuerhalten.
  • Teambildung außerhalb des Trainings organisieren und das Team ermutigen, auch außerhalb des Trainings Zeit miteinander zu verbringen, da dies den Zusammenhalt im Team im sportlichen Kontext stärkt.

Fallbeispiel:
Eine Trainingsgruppe könnte gemeinsam entscheiden, welche Strecken sie für das Training auswählen. Dies fördert die Autonomie und das Zugehörigkeitsgefühl, da die Athleten direkt in die Planung einbezogen werden.

Motivation unter Wettkampfbedingungen
Es kann herausfordernd sein, die Motivation in einem Wettbewerbsszenario zu regulieren. Externe Faktoren wie Medaillen, Datenpunkte und persönliche Bestleistungen sowie Anerkennung oder Status können im Fokus stehen. Daher ist es wichtig, die Bedürfnisse im Training kontinuierlich zu stärken und sich auf Wettkämpfe mit spezifischen Zielen
(Ergebnisziele) sowie offenen, prozessorientierten Zielen vorzubereiten, die auf der emotionalen Erfahrung des Genießens des Sports und der Erfahrung selbst basieren, während man sein Bestes gibt.

Fallbeispiel:
Rennen-Ergebnisziele: spezifisch und messbar
  • Platzierung unter den Top 5
  • Absolvieren meiner Strecke in einer bestimmten Zeit
  • Top-Platzierung in meiner Altersklasse
  • Aufstellung eines neuen persönlichen Rekords und Qualifikation für die Teilnahme an einem anderen Wettkampf

Rennen-Prozessziele: emotional und prozessorientiert

  • Fokussiert bleiben und auf meine Technik achten, egal was passiert
  • Die Atmosphäre und Energie an der Startlinie genießen
  • Mich nicht von anderen Fahrern ablenken lassen und im eigenen Rhythmus bleiben
  • Spaß haben und schauen, wie hoch ich mich in meinen Altersklasse platzieren kann

Es kann vorkommen, dass externe Faktoren wie Medaillen, Datenpunkte und persönliche Bestleistungen sowie Anerkennung oder Status eine Rolle spielen und im Fokus stehen. Athleten, die extern reguliert werden, sind möglicherweise am Wettkampftag motivierter als während einer normalen Trainingswoche, da diese externen Faktoren sie am effektivsten antreiben.
Für Athleten, die tief intrinsisch motiviert sind, ist es entscheidend, sie daran zu erinnern, dass auch Wettbewerbe Teil des Prozesses sind, ihre Fähigkeiten und sich selbst zu entwickeln sowie ihre Leistung zu zeigen und ihr Bestes zu geben. Sie sind nicht nur wegen der Ergebnisse dort, sondern wegen des Prozesses.

Fazit:

Die Motivation von Athleten zu stärken ist ein vielschichtiger Prozess, der ein tiefes Verständnis ihrer grundlegenden Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit erfordert. Indem Trainer gezielte Techniken anwenden und regelmäßige Selbstreflexion sowohl bei sich selbst als auch bei ihren Athleten fördern, können sie die intrinsische Regulierung und Motivation ihrer Sportler nachhaltig steigern. Dies führt nicht nur zu verbesserten Leistungen, sondern auch zu mehr Engagement, mehr Freude am Training und langfristiger Entwicklung.
Durch eine unterstützende und respektvolle Umgebung tragen Trainer maßgeblich zur positiven Entwicklung ihrer Athleten bei und helfen ihnen, ihre Topleistungen zu erbringen, während sie gleichzeitig den Spaß und die Freude am Sport bewahren.

 

Bild: © Merbild-Merlin Muth

Die Autorin: Julia Eyre ist Teil des BDR-Bildungsteams und Referentin des Kurses: BDR-RadCoach Pro – Coaching im Radsport
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