Variabilität der Leistungsfähigkeit im Menstruationszyklus

Subjektive Wahrnehmung von Trainingsqualität und Wettkampfleistung in den verschiedenen Phasen des Menstruationszyklus.

 

Unterliegt die Leistungsfähigkeit Schwankungen im Verlauf des Menstruationszyklus? Die Studienlage zu objektiv gemessener Leistungsfähigkeit ist uneinheitlich. Ein Review von McNulty et al. (2020) deutet lediglich auf eine geringfügige Leistungsreduktion während der Regelblutung hin. Doch wie empfinden Athletinnen selbst diese Veränderungen? Nehmen sie Schwankungen in ihrer Leistungsfähigkeit und Wettkampfleistung in Abhängigkeit der Menstruationszyklusphase wahr? 

Das wichtigste in Kürze

  • Die höchste Leistungsfähigkeit wird in der späten follikulären Phase oder frühen lutealen Phase (ca. zweite und dritte Woche im Menstruationszyklus) wahrgenommen. 
  • Die niedrigste Leistungsfähigkeit und die meisten Begleiterscheinungen treten im Zeitraum der Regelblutung oder kurz vorher auf. 
  • Etwa 50 % der Athletinnen nehmen keine Veränderung der sportlichen Leistungsfähigkeit im Verlauf des Menstruationszyklus wahr. 
  • Nur 8 % der Athletinnen gaben an über ausreichendes Wissen über den Menstruationszyklus und dessen Einfluss auf die sportliche Leistungsfähigkeit zu verfügen. 
  • Lediglich 27 % der befragten Wintersportlerinnen sprechen mit ihren Trainerinnen und Trainern über die Thematik. 

Die weiblichen Sexualhormone schwanken in den unterschiedlichen Phasen des Menstruationszyklus in einem ungefähr vierwöchigen Rhythmus. Die hormonellen Schwankungen beeinflussen nachweislich verschiedene Körperfunktionen wie z. B. die Thermoregulation und können u.a. Schmerzen, starke Menstruationsblutungen und Stimmungsschwankungen verursachen. Die unterschiedliche Hormondominanz in den einzelnen Phasen des Menstruationszyklus kann auch die sportliche Leistungsfähigkeit beeinflussen. Auf Basis von objektiven Messungen der Ausdauerleistungsfähigkeit zu bestimmten Zeitpunkten des Menstruationszyklus konnten jedoch bisher keine eindeutigen Aussagen getroffen werden. Darüber hinaus sind besonders Ausdauersportlerinnen aufgrund des hohen Trainingsumfangs anfällig für Menstruationsstörungen, bei denen es zu Veränderungen des Hormonprofils kommt, was wiederum die Interpretation von Forschungsergebnissen erschwert. 

 

Variabilität der Leistungsfähigkeit im Menstruationszyklus 

In der vorliegenden Befragung geben nur knapp über die Hälfte der Athletinnen an, einen regelmäßigen Menstruationszyklus zu haben. Bei einem Drittel der Befragten blieb die Regelblutung in Verbindung mit hohen Trainingsumfängen aus und bei einem Viertel im Zusammenhang mit hochintensiven Trainingseinheiten. Die subjektive Wahrnehmung der unterschiedlichen Phasen des Menstruationszyklus unterscheidet sich zwischen Training und Wettkampf. Generell wird der Einfluss des Menstruationszyklus im Training stärker wahrgenommen als im Wettkampf. Die Athletinnen nehmen eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit in Phase 2 und 3 wahr (siehe Abbildung 1). Wobei auch 50 % der Athletinnen im gesamten Menstruationszyklus keine spürbaren Veränderungen der Leistungsfähigkeit wahrnehmen.  

Nur 8 % der Athletinnen geben an, innerhalb des letzten Jahres keine Begleiterscheinungen im Zusammenhang mit dem Menstruationszyklus gehabt zu haben. Die häufigsten Begleiterscheinungen sind Unterleibskrämpfe (83 %) und Blähungen (63 %). Die Beschwerden treten hauptsächlich mit dem Einsetzen der Regelblutung oder wenige Tage davor auf.  

Zum Zeitpunkt der Datenerhebung nehmen 56 % der Athletinnen hormonelle Verhütungsmittel ein. Davon gibt jede Fünfte an, dass hormonelle Verhütungsmittel ihre sportliche Leistungsfähigkeit positiv beeinflusst. 

Nur 8 % der Athletinnen gaben an, über ausreichendes Wissen über den Menstruationszyklus und dessen Bedeutung für Training und Wettkampf zu verfügen. 27 % der Athletinnen besprechen die Thematik mit ihren Trainer*innen.  

ZUR DISKUSSION: 

Aktuell gewinnt die Debatte über das Training im Einklang mit dem Menstruationszyklus an Bedeutung. Doch was genau bedeutet “Training mit dem Zyklus”? Zunächst müssen einige Begrifflichkeiten voneinander abgegrenzt werden. Training bezeichnet eine systematische und geplante Aktivität zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit. Im Kontext des Menstruationszyklus sollte der hormonelle monatliche Zyklus maximal für Trainingsanpassungen und -inhalte berücksichtigt werden. Dies bedeutet, dass durch gezielte Trainingseinheiten in verschiedenen hormonellen Phasen ein besserer Nutzen, eine deutliche Verbesserung der Leistungsfähigkeit erzielt werden soll. 

In der Praxis gestaltet sich dies jedoch als herausfordernd. Die klare Bestimmung der Zyklusphasen ist erforderlich. Nach aktuellen Empfehlungen aus der Literatur könnte es zudem passieren, dass manche Trainingsinhalte möglicherweise nicht mehr ausreichend über den gesamten Menstruationszyklus berücksichtigt werden. Dies könnte dazu führen, dass Schlüsseleinheiten für eine effektive Wettkampfvorbereitung möglicherweise nicht durchgeführt werden. 

Die vorliegende Studie untersucht jedoch die subjektive Leistungsfähigkeit von Athletinnen im Verlauf des Menstruationszyklus. Dabei werden nicht nur einzelne Zyklusphasen unterschieden, sondern auch die Wahrnehmungsunterschiede zwischen Wettkampf und Training berücksichtigt. Individuelle Unterschiede zeigen sich, wobei Leistungsverbesserungen besonders in den Wochen zwei und drei des Menstruationszyklus wahrgenommen werden, während Leistungsverschlechterungen vor allem in Woche eins und den Tagen vor Einsetzen der Regelblutung auftreten. 

Die Studie verdeutlicht weiterhin, dass die Wahrnehmung des Menstruationszyklus und seiner Auswirkungen sehr individuell ist. Bei der Trainingsgestaltung sollten vor allem die Symptome, die im Zusammenhang mit dem Menstruationszyklus stehen, berücksichtigt werden. Es ist wichtig zu erkennen, dass Sportlerinnen den Verlauf des Menstruationszyklus unterschiedlich wahrnehmen. Wenn Symptome wiederholt das geplante Training beeinträchtigen, sollten Anpassungen bereits in der Trainingsplanung in Betracht gezogen werden, beispielsweise durch eine Ruhewoche in Verbindung mit den Tagen vor Einsetzen und der Regelblutung selbst. 

Besondere Aufmerksamkeit gilt auch Sportlerinnen, die hormonell verhüten, da dies den natürlichen hormonellen Verlauf verändern kann. Eine klare Dokumentation von positiven und negativen Effekten im Zusammenhang mit der Verhütung kann hierbei hilfreich sein auch um eventuelle Anpassungen/Veränderungen in der Wahl des Verhütungsmittels vorzunehmen. 

Die Wahrnehmung der Leistungsverbesserung oder -verschlechterung im Zusammenhang mit dem Menstruationszyklus sollte vor allem in einer vertrauensvollen Kommunikation zwischen Trainer*in und Sportlerin münden. Weiterbildungsmaßnahmen für Sportlerinnen und Trainerinnen können dabei unterstützen, erste Hürden in der Kommunikation zu überwinden und zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit beizutragen. 

Handlungsempfehlungen: 

  • Dokumentation des Menstruationszyklus (Symptome im Verlauf des Menstruationszyklus)  
  • Kommunikation über den Menstruationszyklus, Begleitsymptome, hormonelle Verhütung 
  • Weiterbildung zum Thema Menstruationszyklus und hormonelle Verhütung für Trainer  
  • Workshops zum Umgang mit dem Menstruationszyklus im Leistungssport für Athletinnen 

 

Hintergrund:

  • 140 norwegische Athletinnen (82 Skilangläuferinnen, 58 Biathletinnen) nahmen an der Online-Befragung teil.  
  • Themenkomplexe der Befragung: gynäkologische Anamnese, wahrgenommene Trainingsqualität in Abhängigkeit der Menstruationszyklusphase, Menstruationszyklus bedingte Begleiterscheinungen, Einschätzung zum Wissen über den Menstruationszyklus und dessen Einfluss auf das Training und die Kommunikation zwischen Athletin und Trainer*in über diese Thematik, Anwenderinnen von hormonellen Verhütungsmitteln beantworteten zusätzlich Fragen zu ihren Erfahrungen mit diesen.  

 

 Zusammengestellt von Katharina Fischer 

Solli, G.S., Sanbakk, S.B., Noordhof, D.A., Ihalainen, J.K. & Sandbakk, Ø (2020). Changes in Self-Reported Physical Fitness, Performance, and Side Effects Across the Phases of the Menstrual Cycle Among Competitive Endurance Athletes. International Journal of Sports Physiology and Performance, 15, 1324-1333. 

 

 

Ekenros, L., von Rosen, P., Solli, G. S., Sandbakk, Ø., Holmberg, H. C., Hirschberg, A. L., & Fridén, C. (2022). Perceived impact of the menstrual cycle and hormonal contraceptives on physical exercise and performance in 1,086 athletes from 57 sports. Frontiers in Physiology, 13, 954760. doi: 10.3389/fphys.2022.954760.

von Rosen, P., Ekenros, L., Solli, G. S., Sandbakk, Ø., Holmberg, H. C., Hirschberg, A. L., & Fridén, C. (2022). Offered Support and Knowledge about the Menstrual Cycle in the Athletic Community: A Cross-Sectional Study of 1086 Female Athletes. International Journal of Environmental Research and Public Health, 19(19), 11932.

McNulty, K. L., Elliott-Sale, K. J., Dolan, E., Swinton, P. A., Ansdell, P., Goodall, S., Thomas, K., & Hicks, K. M. (2020). The Effects of Menstrual Cycle Phase on Exercise Performance in Eumenorrheic Women: A Systematic Review and Meta-Analysis. Sports Medicine, 50(10), 1813-1827.

 

 

Artikel: Training im Spitzensport: Wie erfolgreiche Trainer Geschlechtsunterschiede wahrnehmen.

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